Donnerstag, 18. November 2021

Iced Eath, John Schaffner und ich...

Darüber einen kleinen Kommentar zu schreiben brennt mir schon seit geraumer Zeit unter den Fingernägeln, nicht unmittelbar nach dem ominösen Vorfall - mir liegt es nicht sofort irgendeinen empörten, skandalheischenden Text zu verfassen, ohne dass ich mich mit der Sachlage aus allen Perspektiven grundsätzlich beschäftigt zu haben, das ist hier nicht Twitter oder so, ich bin langsamer, aber in der Regel fundiert und ausführlicher - Debatten sollte man generell nicht mit Zeichenbegrenzungen führen und ich will auch keinen Click-Bait betreiben und generell sollte Qualität über Quantität obsiegen.

Dennoch, ich werde hier nicht mit Links und Quellen um mich werfen, kann inzwischen jeder selbst finden, der sich mit der Thematik beschäftigen möchte - ich habe extrem viele Artikel gelesen und theoretisch so halb die Vorarbeit geleistet um dies tun zu können, aber ich will hier keine wissenschaftliche Arbeit schreiben, sondern meinen subjektiven Meinung wiedergeben. Diese muss man nicht teilen, man kann sie aber gerne kommentieren (auch wenn ich davon ausgehe, dass dies nicht passieren wird) und ob sie relevant ist, ist mir ehrlich gesagt auch egal.

Für mich persönlich war Iced Earth vor gut 17 Jahren neben Manowar der Einstieg in den Metal, von wo aus ich mich in sämtliche Richtungen weiterentwickelte. Bis dato ist die Band meine meistgehörte Band auf last.fm und nahezu konkurrenzlos und wird auch immer eine der wichtigsten Bands für mich persönlich bleiben. Die musikalischen Sternstunden liegen natürlich weit zurück, das "Horrow Show" Album von 2001 war das letzte richtig große meiner Meinung nach, danach gab es natürlich weiterhin viel Gutes, aber wenig was mich wirklich restlos überzeugte. Das hängt zum einen an diversen Sängerwechseln - für mich bleibt Barlow unumstritten die Nummer 1, mit Owens wurde ich nur bedingt warm und Block war zwar ein mehr oder weniger würdiger Ersatz bzw. technisch der perfekte Hybrid um die Äre der beiden Sänger abzudecken, aber bis auf das letzte Album "Incorruptible" von 2017 welches positiv gesehen wieder eine gute Richtung einschlug, war es nicht gänzlich das, was ich mir persönlich gewünscht hätte. Um nicht missverstanden zu werden, natürlich war nichts davon schlecht oder mittelmäßig, aber die nahezu perfekte Magie eines "Something Wicked This Way Comes" (1998) war nicht durchgängig mehr vorhanden, im Gegenteil schätze ich über die Zeit hinweg primär die älteren Sachen, die Neueinspielungen von "Days Of Purgatory" (1997) alterten in meinen Augen gut, waren wesentlich progressiver und härter und ich hätte mir einen Hauch dessen in den neueren Werken sehr gewünscht.

Von daher war zwar der Nummer 1 Platz in meiner persönlichen Hitliste fest zementiert, aber ich fieberte sämtlichen Neuigkeiten nicht mehr ebenso begeistert entgegen wie ich es wohl Jahre zuvor getan hätte. Man hat sich auf eine solide Basis festgefahren, aber ich war nicht in Hype Stimmung.

So habe ich auch erst sehr spät von der Kickstarter Kampagen bzgl. seines "Wicked Words & Epic Tales" mitbekommen, was natürlich in den Fingern juckte, auf der anderen Seite aber teils extreme Preise verlangte weswegen ich da erst etwas Abstand von hielt, interessanter wurde die Zusammenarbeit mit dem verlorenen Sohn Barlow als sie die "Winter Nights" Kickstarter Kampagne ins Leben riefen, viel Weihnachtsmusik - was mir nicht so taugt, aber durchaus interessante und vertraute Klänge die Lust auf mehr machten, aber ab da an war auch nicht mehr viel Zeit bis zum Supergau.

Das Schaffner inzwischen komplett zum Coronaleugnerlager abgewandert war, war mir nicht bewusst - auch dass er ein Trump-Anhänger war und ist, hatte ich nicht auf dem Schirm - ist streng genommen nicht überraschend, aber zumindest letzteres auch nicht verwerflich. Die hiesige Medien sind v.a. was die amerkanische Politik angeht leider extrem hysterisch und bigott und vergessen gerne, dass es sich hier auch um eine anders geartete Kultur handelt, welche nur bedingt mit DER - sofern es sie in solch einer Einigkeit überhaupt gibt - europäischen 1:1 verglichen werden kann. Zeigt sich auch wunderbar darin, wenn gesellschaftliche Debatten und Probleme undifferenziert über den großen Teich importiert werden und dann nunja, leider nicht immer so vortrefflich funktionieren.

Ich bin aber grundsätzlich der Meinung, den Künstler als Person von seinem Werk zu trennen - da mag es Punkte geben, wo dies definitiv schwierig und/oder unmöglich wird, aber ich greife den mannigfaltigen Diskussionen vorraus in denen allein das Schlagwort "Trump-Anhänger" zum heißen Eisen wurde und das ist wahrlich albern. Es gibt unterschiedliche Meinungen, aber diese klärt man am besten in einem Disskurs statt sich überheblich und gönnerhaft am Buffet der hießigen, leider oft sehr einseitigen Medienmeldungen zum Thema Trump zu bedienen. Ich persönlich halte nicht viel von Trump, aber noch weniger von der Dämonisierung die weder fair noch objektiv war.

Mit Coronaleugnern wird es schwieriger, für mich persönlich. Ich hoffe ich werde möglichst zeitnah noch etwas über das Thema Corona v.a. im Hinblick darauf, welchen mauen Stellenwert Kultur als solches gerade in solcher Zeit hat schreiben. Ich halte mich da aber an wissenschaftlich, evidenzbasierten Meinungen. Auf politischer Ebene lief da wahrscheinlich weltweit gehörig einiges schief, was auch zurecht kritisiert gehört, ebenso ist die Pharmaindustrie alles andere als selbstlos und heilig sondern ein knallhartes Milliardengeschäft - aber die Verschwörungsphantasieen und getätigten Äußerungen einiger übersteigen dann doch deutlich jegliche Toleranzgrenze. Natürlich war es wenig hilfreich, dass die Kommunikation leider oft sehr diletantisch und widersprüchlich war, aber einen Großteil der Bevölkerung hätte man, sofern man überhaupt die Absicht hatte sich die Mühen zu machen und vielleicht gerechtfertigte Bedenken zu berücksichtigten oder zumindest anzunehmen, in einen konstruktiven, gesellschaftlich wichtigen Diskurs bekommen. Nunja, hat man leider verbockt - die Gesellschaft ist gespalten, sowohl hier als auch in Amerika und beide Seiten nehmen unbeirrt Kurs auf die immer extremer werdende Ränder. Die Eigenverantwortung ob dieser Sogwirkung nehme ich  niemanden ab, aber es ist keine Entwicklung welche ich naiverweise nicht erwartet hätte.

Wäre ich mit Schaffner an dieser Stelle auf einen gemeinsamen Punkt gekommen? Sehr wahrscheinlich nicht, aber unabhängig davon, dass ich mich nicht wirklich in dieser Leugner Bubble befinde, wäre es wohl kein schwerwiegend genuger Dissens gewesen um mit ihm und seiner Band zu brechen. Seiner Band als gesamtes deswegen, weil wohl kaum jemand so sehr die Band selbst ist wie John Schaffner eben Iced Earth ist.

Und dann war da der 6te Januar und Schaffner hatte nichts besseres zu tun als mit einer Einsatzweste und Bärenspray bewaffnet das Capitol zu stürmen... - die Oath Keeper Mütze und ob er Lifetime Member war oder ist, ist dabei dann auch schon irrelevant, da wurden viele Ja-Nein-Doch-Oh Meldungen innerhalb kurzer Zeit publik und das finale Eingeständnis werte ich als taktisches Kalkül, lieber alles eingestehen und mögliche Mitstreiter ans Messer liefern um vielleicht nach drei bis fünf Jahren wieder aus dem Gefängnis zu kommen als, pardon - der Mann ist auch nicht mehr der jüngste - vollends lebenslänglich einzusitzen.

Für mich war ab dem Punkt sofort klar, okay - das war's. Hier wurde eine dunkelrote Linie überschritten und so sehr ich auch kontroverse und exzentrische Meinungen und Personen schätze, sie sogar für einen elementaren Faktor in einer diversen und aufgeschlossenen Gesellschaft halte, die - wenn einem konstruktiven Dialog nicht abgeneigt, durch die Verschiebung des gewohnten Blickwinkels zur kritischen Selbstreflektion und Erneuerung genötigt; messe ich Menschen final dann doch tatsächlich eher an Taten, denn an Meinungen.

Im Gegensatz zur leidlichen Cancel-Culture Debatte, guess what - auch hier habe ich tatsächlich etwas geplant, halte ich Meinungen für per se okay und tolerierbar und sollten als solche im gegenseitigem Interesse erst mal auch als solche betrachtet werden. Wenn ich das Dialogfenster geöffnet halten möchte, was in der Regel langfristig immer deeskalierender und zielführender ist, kann ich bei tieferem Interesse und im Sinne eines Konsens erforschen was die Motive, Informationen und Gründe für die möglicherweise konträre Annahme der Situation ist. Damit habe ich einen elementaren Wirkungshebel zur Hand, erstens - nehme ich mein Gegenüber ernst, zweitens kann ich fehlende Informationen und ausgeblendete Sichtweisen meinerseits ergänzen und drittens eröffnet es einen Raum für Diskussionen. Daraus abgeleitet können sich Meinungen ändern, man kann mal falsch gelegen haben, sich geirrt haben, das erfordert natürlich einiges an Bereitschaft an Selbstreflektion, aber mein demokratisches Verständnis fußt elementar auf dem Dialog, dem Diskurs und der durchaus streitbaren Debatte der inhaltlichen Sachen wegen aus der sich am Ende idealerweise die rationalste Entscheidung ergibt, unabhängig von der eigenen Ausgangsposition.
Natürlich sieht die Realität mitnichten so aus und die wichtige, inhaltliche Sacharbeit wird erdrückt aus einem Schwulst pseudomoralischer Ideologie, linientreue und mal mehr oder weniger offenem oder verdecktem Machteigeninteresse; aber ich lasse mir meine Utopie einer besseren, offeneren und funktioniererenden Gesellschaft nicht durch die mangelhaften Maßstäbe der Gegenwart korumpieren.

Aber festgehalten haben Meinungen einen elementaren Charakter, welche Taten nicht haben - sie sind änderbar, nicht final, die ausgeführte Tat hingegen kann ich nicht mehr zurück nehmen. Gedachte Fehler lassen sich ändern, ausgeführte hingegen wesentlich schwerer oder auch gar nicht.

Generell, wir haben eine ungesunde Fehlerkultur, Fehler als solche sind menschlich, passieren und sind in der Regel auch verzeihbar. Bei Schaffner wird es jetzt aber schwierig, waren es jetzt eingangs viele vielleicht komische und kritische Meinungen, gipfeln sie nun in eine Tat und sind ein zu stringenter und konsequenter Unterbau, als dass die Tat als solche sich nicht als versehentlicher "Ausrutscher" retouchieren lässt.

Ob ich ihn deswegen für einen schlechten Menschen halte? Verbietet sich mir zu bewerten, ich kenne ihn natürlich nicht privat, aber im Kampf der "möglichen Deutungshoheiten" hat er sich durch ein sehr grobes Foul selbst disqualifiziert und muss als solcher nun verständlicherweise die Verantwortung für tragen.

Für mich war klar, hier endet wohl der gemeinsame Weg und ich werde keine Kickstarter-Kampagne unterstützen, noch weiter irgendwie Merch oder CDs/LPs oder Tickets für Konzerte kaufen... bis hierhin war eine schöne Zeit, aber jetzt wird es echt komisch und man hat sich im wahrsten Sinne des Wortes auseinander gelebt und ich habe sachliche Gründe und Maßstäbe, weswegen ich dies - sofern ich mich überhaupt rechtfertigen müsste, vor wem denn ? - begründen könnte.

Und dann gingen die bilingualen Shitstorms los...

Auf der einen Seite erzkonservative Amerikaner, welche meinten - so Fans wie mich braucht die Band nicht; was ich angesichts des Trends alles und jeden sofort fallen zu lassen sobald es kritisch wird verstehen könnte - aber das dem hier aus meiner persönlichen Sicht absolut so nicht ist, sollten die paar geschriebenen Zeilen bislang mehr als ausdrücklich gezeigt haben.

Und dann die in Deutschland (ich beziehe mich hier ausschließlich auf selbst geführte Diskussionen) welche sofort ein Dementi vom Label oder privat von Hansi Kürsch forderten, Sänger der Band Blind Guardian und zusammen mit John Schaffner im Projekt Demons & Wizards involviert, was ich zum sofortigen Zeitpunkt absolut absurd und anmaßend fand.

Zur Beruhigung vornweg, Demons & Wizards gibt es nicht mehr und Iced Earth praktisch auch nicht mehr, alle Bandmember haben sich wenig überraschend losgesagt.

@amerikanische Fraktion: Welche Band?

Dafür wurde dann vogelwild über die Discophrafie hergezogen, war ja schon alles klar - spätestens seit "Something Wicked" hatte der doch nicht mehr alle Latten im Zaun, schrecklich aber auch sich eine Sci-Fi Dystopie auszudenken, natürlich kann man jetzt einen ähnlichen Opfermythos wie die gegen die New World Order zusammen zimmern, aber eine bewusste Planungszeit von knapp 23 Jahren von einem Album bis zu dieser Tat ist nicht weniger konstruiert, als die kritisierte Verschwörungstheorie an und für sich...

Aber "The Glourius Burden" - allein die "Gettysburg" Triologie über den amerikanischen Bürgerkrieg, welcher auch die Sicht der bösen Südstaatler einnimmt oder das vor Pathos triefende "When the Eagles Cries" - (* Special über jemand der an dieser Stelle den Adler kreisen lässt ist auch längst geplant) hier ein kritischer Kommentar sorgt wieder für tiefste Empörung der amerikanischen Fraktion, macht aber deutlich was das eigentliche Problem ist. Amerika und Europa und insbesondere Deutschland sind gänzlich unterschiedliche Kulturen v.a. im Bezug der eigenen Geschichte, was dort selbstverständlich ist woanders unvorstellbar ohne irgendwas davon jetzt zu bewerten, aber darauf aufbauend wird jetzt die Vergangenheit rückwirkend kritisch umgedeutet. Ernsthaft?

Sons of Liberty kann man kritischer ansehen, genauso gut könnte man jetzt jede x-beliebige Punkband ob ihrer Texte attackieren, aber auch Rock und Metal sind durchaus sozialkritische Genres die sich gegen den Status Quo auflehnen, das muss man nicht mögen oder immer gutheißen, aber der wilde Mob deutete quo Zirkelschloss plötzlich überall schlimmste Verwerfungen, welche ohne die Tat - die ja auch unzweifelsfrei aus meiner persönlichen Sicht zu verurteilen ist - keinen Menschen interessiert hatte und hätte und dann der meisterhafte Bogen...

... "ich hätte kein Lust auf so ein Konzert zu gehen und neben Nazis zu stehen", wurden die Fans zu Mittätern gemacht (Facebook Diskussion) und Gespenter gesehen und Ideologien unterstellt, die so einfach nicht mehr oder anders als sonst auch existieren, man soll ja niemals nie sagen. Aber Iced Earth plötzlich eine Nazi Band und ihre Zuhörer ebenfalls? An dieser Stelle war der Wille zum Diskurss leider erloschen, die Meinung war fest betoniert und die Intention offenbar keine andere als wilkürlich Schmutz zu werfen und Sachargumente vehement mit "ist aber meine Meinung" zu blockieren, schade drum.

Was ein Fazit nehme ich daraus jetzt mit, außer dass "Diskussionen" im Internet graue Haare machen?

Natürlich war und ist Iced Earth keine Nazi Band und natürlich werde ich auch weiterhin die gekauften Shirts tragen und die gekaufte Musik hören; nichts davon war auch nur annäherend Grauzone oder sonstwie ein Köder rechter Gesinnungen, hier rückwirkend etwas zu konstruieren kann nur der eigenen Profilierung dienen, wenn dem so gewollt gewesen wäre, wären gänzlich andere Register gezogen worden. Iced Earth waren eine überdurchschnittlich gute und stilprägende Heavy/Power/Thrash Metal Band und hat, egal was passiert sein mag ihren Einfluss auf mich gehabt. Aber im vorauseilenden Gehorsam das alles zu verneinen und zu verleugnen ist albern. An ein Comeback der Band glaube ich ehrlich gesagt nicht, wie denn auch momentan?

Ansonsten ist es wie bei einer in die Bruch gegangene Beziehung die man ansatzweise in Würde und mit Anstand hinter sich lässt. Man sollte niemals nie sagen, weil eben Meinungen sich ändern können, aber in der Regel ist es gesünder und besser getrennte Wege zu gehen. Man kann sich grüßen wenn man sich über den Weg läuft, man muss kein Arsch sein und alles verdammen, aber die Prioritäten ändern sich. Schade...





Nicht ganz ernst gemeinter Abspann:

Von daher, hallo Katatonia - ich weiß wir sind schon lange beste Freunde und wäre ich auch nur ansatzweise polyamorös veranlagt würden wir längst zusammen wohnen, aber Lust meine neue allerliebste Herzensband zu werden? :-*