Montag, 27. März 2023

Musterklage gegen CTS Eventim

Wichtiges Thema und hoffentlich auch mit einer juristischem Schlappe für den Monopolriesen Eventim!

Ich wollte vor Jahren diesbezüglich schon mal etwas schreiben, hatte es aber ein wenig aus den Augen verloren, auch wenn es während Corona mehr als genug Anlass gegeben hätte, da nochmal ordentlich auf den Tisch zu hauen.

Zum Glück hatte ich aber ein paar alte Links gespeichert. Die funktionieren zwar inzwischen nicht mehr bzw. sind tot, aber zum Glück gibt es ja noch die gute alte Waybackmachine! Die steht zwar leider gerade auch massiv unter Beschuss und sollte als weltweit größtes Internetarchiv unbedingt gerettet werden - wer mehr Infos möchte folgt bitte diesem englischsprachigem Artikel (http://blog.archive.org/2023/03/25/the-fight-continues/) aber ich will mich kurz halten um mal endlich wieder zeitnah meine Posts fertig zu bekommen.

Das aktuelle Problem ist hier exemplarisch sehr grob beim Spiegel zusammengefasst: https://www.spiegel.de/wirtschaft/cts-eventim-mehr-als-1500-menschen-schliessen-sich-musterklage-an-a-da552c7c-917b-44d1-9af8-3f5ea98016b4

Eventim weigert sich bei der Absage von Konzerten die gezahlten Gebühren in vollem Umfang zurück zu zahlen und behält Bearbeitungsgebühren ein.

Das klingt vielleicht noch nicht so ungemein dramatisch, aber dafür muss mich sich ein wenig mehr mit den Methoden des Unternehmens befassen, denn die verteidigenden "Das Unternehmen hat ja auch Kosten" Argument zerfällt im Nu und es zeigt sich eine gezielte Systematik zur Gewinnsteigerung.

Immerhin musste man bis zum Urteil 2018 vom Bundesgerichtshof noch eine überflüssige Zusatzgebühr für print@home Tickets zahlen, wenn man sich die Tickets nicht mit überteuerten Portokosten zuschicken lassen wollte.

CTS Eventim war eine Aktiengesellschaft und hatte sich dann in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien umgewandelt. Es geht hier rein und allein um Geld und nicht um Kultur, in keinsterweise.

Während heute kaum eine Band mehr von den CD Verkäufen mehr leben kann, immerhin gibt es jetzt ja das viel "bessere" und ach so preiswerte Spotify das ihre Content Creators wie man heute so schön sagt am ausgestreckten Arm mit lächerlichen Auszahlungen in homöopathischen Regionen verhungern lässt, können die Bands ja heute mit Merch und Konzerten ihr Geld verdienen.

Das diese zunehmend teurer werden damit überhaupt etwas bei rum kommt, ärgert mich persönlich zwar doppelt, immerhin kaufe ich ja weiterhin brav wie der letzte Mohikaner diese antiquitierten Silberscheiben, aber auch das ist wieder eine unglaublich kurzsichtige, unwissende Annahme.

Natürlich können sich die Zahlen in Relation inzwischen geändert haben, meine Links sind wie gesagt einige Jahre alt, aber ich habe begründete Zweifel, dass sich daran viel im Sinne der Künstler getan hat.

Wie hat sich denn vor circa 10 Jahren denn so ein Ticketpreis zusammengesetzt?
https://web.archive.org/web/20130209163956/http://www.ticcats.de/blog/entry/ticcats-blog-wei-sich-der-ticketpreis-zuammensetzt

https://web.archive.org/web/20121205211101/http://www.berliner-zeitung.de/kultur/konzerttickets-40-euro-fuers-ticket--vier-fuer-die-kuenstler,10809150,21027816.html

Wir halten also fest, einen ziemlich großten Anteil vom Kuchen bekommt Eventim ohne ledigliches eigenes finanzielles Risiko ob etwas sich verkauft, für den Veranstalter trägt oder das ganze abgesagt wird. Der Künstler fällt für viele vielleicht überraschend fast gänzlich unter den Tisch, vielleicht muss deswegen die berühmte dritte Säule des Merchs daher auch nochmal teurer werden - wunderbar.

Aufmerksam wurde ich damals darauf über diese skandalöse Posse über ein kurzfristig angebotenes aber leider natürlich abgesagtes Prince Konzert in Berlin 2014.
https://web.archive.org/web/20140606055827/http://www.ticcats.de/blog/entry/ticcats-blog-prince-in-berlin-chronologie-eines-ticketvorverkaufs

Spätestens jetzt sollte sich das Mitleid mit dem armen, armen CTS Eventim langsam stark in Grenzen halten.
https://www.wiwo.de/unternehmen/handel/ticket-haendler-warum-ticketriese-eventim-so-umstritten-ist/9867488.html

Wurde ein Termin abgesagt, war man ja nicht der Veranstalter und konnte nichts dafür und hat die Verantwortung weitergegeben. Sieht man in Betracht wieviel eh schon mit jedem Verkauf eingenommen wird und was sich unweigerlich 1:1 eh schon auf den Ticketpreis aufschlägt, sind ZUSÄTZLICHE(!) Bearbeitungs-/Servicegebühren eine Frechheit, zumal der Kunde für eine Leistung bezahlt, die nicht erbracht wurde.

Ansonsten hat Eventim sich über die Jahre immer mehr in die Verwertungskette für Events reingefressen, Konkurrenten übernommen, exklusiv Deals für große Hallen (Kölner Lanxess Arena, Berliner Waldbühne) oder Bands übernommen und überall brav seine Hand aufgehalten.

Mit dem Zukauf verschiedener Veranstalter, wurde man quasi auch selbst zum Veranstalter und je nach Ort oder Band alternativlos und hatte endgültig die komplette Kontrolle über den Ticketmarkt. Nicht nur in Deutschland, sondern europaweit. Hurricane, Southside, Rock am Ring, Rock im Park, Lucca Summer - alle Festivals inzwischen über Tochterfirmen und Beteiligungen fest in den Händen von Eventim.  getgo.de, ticketonline.de, Ticketcorner und fansale.de - alles Eventim.

Aber durch die AGBs, die eh keiner liest - stimmt man alldem ja auch zu, wenngleich diese nun genauer unter die Lupe genommen werden sollen. Auch das Kartellamt zuckt regelmäßig nervös ob des inzwischen übermächtigen Monopols.

Aber ab von den lukerativen Sahnestückchen welche man sich selbst gesichert hat und wo man auch als Veranstalter tätig wird, ist und definiert sich Eventim weiterhin als nur Ticket vertreibendes Unschuldslamm um dann als erstes während Corona mit Krokodilstränen aus der Deckung zu schießen und um staatliche Hilfen zu wimmern, immerhin leide die Kulturbranche gerade so sehr.

Nicht an die Künstler wurde gedacht - hier wurde hämisch mit "Augen auf bei der Berufswahl" im Internet quer durch sämtliche Portale kommentiert, nicht an die Locations die weiterhin hohe laufende Kosten bei geschlossenen Läden hatten, sondern primär wurde über Eventim geredet die Millionenumsätze und Gewinne damit machen, dass andere Kunst erschaffen und ausführen und andere planen, kalkulieren und arbeiten müssen ob und wie sich ein Act überhaupt finanziell lohnt.

Eventim generierte nicht nur mit dem Verkauf der Tickets der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland und den Olympischen Winterspiele in Sotschi und den Olympischen Sommerspiele in Rio Geld, nein Eventim bekommt vom Staat schon mehr als Genug Geld für die gescheiterte PKW-Maut Einführung die, welch Ironie - dank dem Europäischen Gerichtshof auch abgesagt wurde.

Und netterweise waren sie auch bei der Vergabe der Impftermine auch schon wieder im Boot:
https://www.rollingstone.de/impfungen-statt-konzerte-eventim-vergibt-impftermine-dortmund-2243991/

Also was lässt sich zum Schluss sagen...

Hoffentlich werden diese kruden Klauseln für rechtswidrig erklärt und zumindest für den Moment dem weiteren Schröpfen der darb finanziell aufgestellten Kulturszene Einhalt geboten. Klar, es ist ein Millardengeschäft, aber wie so oft bekommen das meiste nicht die ab, die primär konstruktiv dazu beitragen und daraus lassen sich diverse, unverbindliche aber wünschenswerte Appelle ableiten.

  1. Unterstützt den lokalen Untergrund, geht auf die preiswerten Konzerte in der Region und bewirkt damit unmittelbar etwas.
  2. Schaut euch nach Alternativen um, es lohnt sich der Umweg Tickets direkt bei Bands oder Locations zu kaufen.
  3. Wenn ihr selbst eine Location habt, outsourced nicht euer Ticketing, auch wenn es kurzfristig günstiger und einfach zu sein scheint. Ihr verliert langfristig komplett eure Kontrolle und Relevanz wenn ihr das ungeschehen machen wollt. Die Leute sind es dann gewohnt es wo anders zu kaufen.

4. - Gerne teilen wenn es euch neue Einblicke gegeben hat oder kommentieren wenn sich Fehler eingeschlichen haben, aber es geht wie immer um das große Ganze.