Freitag, 10. Februar 2017

# Reingehört # Blitzurteil: Nick Cave & The Bad Seeds - Skeleton Tree

2016 war in vielerlei Hinsicht ein beschissenes Jahr, politisch, menschlich, musikalisch - genau genommen kann sicher jeder für sich etwas schlechtes als Beispiel heranziehen und muss sich dennoch die Frage stellen lassen, so darauf fokussiert - ist nicht jedes Jahr irgendwie schlecht? Dennoch ist es nicht von der Hand zu weisen, dass einige inzwischen etablierte Größen von uns gegangen sind oder schwere Schicksalschläge verkraften mussten und dennoch oder vielleicht gerade deswegen ergab sich aber auch die Chance aus Musik mehr als Kunst, etwas Exestenzielles zu schaffen und größer gedacht, ein unglaublich intensives Spannungsfeld zu kreiieren.

Der Bogen mag weit geschlagen sein, nicht alles ist direkt miteinander vergleichbar, aber an und zwischen den Verknüpfungspunkten, den Perspektivwechseln ergibt sich ein großes Ganzes. Angefangen bei David Bowies "Blackstar", Nick Caves "Skeleton Tree" und endend mit Leonard Cohens "You Want it Darker" hatten wir ein unheilvolles Triumvirat, welches auch weltweit große Beachtung fand. Gehört habe ich bis dato noch keines davon, physisch fehlen tut mir bislang nur Cohen, bei welchem ich aber davon ausgehe, dass er mir am wenigsten von den dreien gefallen wird. Die meiste Hoffnung stecke ich ehrlich gesagt in Bowie, gegenüber Nick Cave war ich recht neutral und offen.
Spontan könnte ich als Pendant, bezogen auf die Thematik Communic mit "Bottom Deep" dazwischen werfen, aber das ist irgendwie eine andere Baustelle, gefühlt. Sicherlich nicht das passendste Wort, aber "Liga" wirft gleich mit qualitativen Erwartungshaltungen um sich. Ein nicht wirklich statthafter und sinnvoller Vergleich. Wie anmaßend wäre es Trauer zu werten?

Die Hintergrundgeschichte ist mir im Groben bekannt, den Film habe ich nicht gesehen, die Kritik hingegen schon und habe sie zum Teil auch nachvollziehen können, vorallem auch die negative über den Umgang, daher war und ist mir Authentizität wichtig. Ich hoffe nicht zu voyeuristisch oder gar sadistisch zu klingen, wenn ich mich gefühlt im Leid und Kummer der Menschen labe, aber mich faszinieren Extreme. Ich bin ein radikaler Dramaturg, um etwas zu bewegen muss die Sache auch weh tun, nicht nur aufrütteln sondern verstören, aber nicht seiner selbst Willen - zumindest nicht vordergründig oder nicht ohne Metaebene oder einer Überdosis Nihilismus. Ich bin der Meinung in vielen Bereichen Erfahrungen am Limit des Ertragbaren gehört, gesehen und vielleicht auch gemacht zu haben, nicht alles und allwissend - aber rein musikalisch denke ich, kenne ich mich mit künstlerisch vertretbaren Extremen aus.

Nach dem ersten Durchgang konnte das Album in meinen Augen auch nur grandios scheitern, meine Erwartungshaltung war utopisch hoch angesetzt und das fragile Album schon vorab zerbrochen. Das Album ist nicht nur fragil, es ist auch minimalistisch in der Instrumentierung - gewüscht hätte ich mir hingegen mehr Disharmonie, mehr Dilentantismus. Authentisch ist es, Nick Cave blutet ohne es nötig zu haben, seine Wunden zu zeigen. Ob deswegen keine Lyrics beiliegen? Stört mich hingegen aber eher, gerne hätte ich währenddessen mitgelesen, die Relevanz schien mir das Album vorab schon gehabt zu haben, um mir diese Zeit zu nehmen.

Dieser Text ist tatsächlich während und nach dem ersten Durchgang entstanden, be- oder ergriffen habe ich selbstverständlich noch nichts, der Umfang und die Tiefe wird erst im sich mehrmals gebrochenen Echo zeigen. Substanz ist auf jeden Fall da, wie viel wird sich zeigen. Überflüssig dem Ganzen selbstklärende Attribute wie melancholisch, niedergeschlagen, depressiv anzuheften - es ist aber nicht erschlagend, kann es vielleicht auch gar nicht sein, muss es nicht mal zwingend. Ich hatte nur einen wesentlich tieferen, emotionalen Erdrutsch erwartet, ja ihm sogar entgegengefiebert. Dafür fehlt mir aber noch ein wenig die persönliche, mich betreffende Identifitkation. Vielleicht erfährt man diese in Gänze auch nur als Elternteil mit der undenkbarsten, schmerzlichen Erfahrung. Vielleicht will ich es dann auch nie ganz erfahren müssen.

Aber ich denk es wird noch größer werden, sich hoffentlich festbeißen und festkrallen und seine spitzen Dornen in die Herzen schlagen. Blitze? Irgendwie unpassend...


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (https://etalusicore.blogspot.com/p/blog-page.html) und in der Datenschutzerklärung von Google. (https://policies.google.com/privacy?hl=de)